Als ich 1997/98 für das Museum moderner Kunst in Wien eine Ausstellung über die Situationistische Internationale 1957-1972 vorbereitete, machte ich die Erfahrung, daß in Österreich nur wenige die S.I. kannten. Dabei gab es früher einige Berührungspunkte zwischen der Wiener Kunstszene und der Situationistischen Internationale. In Wien waren die Situationisten zum Beispiel Ossi Wiener, der in den Sprachinterventionen der Wiener Gruppe Parallelen zur S.I. sah, dem Architekten Günther Feuerstein, der 1961 einen Artikel in der Münchner Zeitschrift SPUR veröffentlichte, oder auch Arnulf Rainer, der 1961 eine Solidaritätserklärung für die gerichtlich verfolgte SPUR-Gruppe unterzeichnete, bekannt. Die Situationisten wiederum veröffentlichten 1960 eine polemische Erklärung gegen Fritz Hundertwasser, den sie aus Paris kannten.
Nur bei der Schrift Gesellschaft des Spektakels von Guy Debord, dem zentralen Theoretiker der S.I., der zugleich der „Direktor“ der in Paris erscheinenden Zeitschrift Internationale Situationiste war, sowie bei einigen anderen seiner Publikationen [1] war in den neunziger Jahren eine ansteigende Tendenz der Bekanntheit festzustellen. In einer Zeit eines zunehmenden Konformismus, einer Event-Kultur und einer fortschreitenden Kommerzialisierung des Kunstbetriebes gewinnen radikale (Gegen-)Positionen und eine konsequente (revolutionäre) Kritik, formuliert in den fünfziger und sechziger Jahren, eine neue geistige und politische Attraktivität.
In dem Begriff „Situationistische Internationale“ kommen zwei Bedeutungsebenen zusammen:
a) eine strategische (methodische):
Unser Hauptgedanke ist der einer Konstruktion von Situationen — d. h. der konkreten Konstruktion kurzfristiger Lebensumgebungen und ihrer Umgestaltung in eine höhere Qualität der Leidenschaft. Wir müssen eine geordnete Intervention in die komplizierten Faktoren zweier großer, sich ständig gegenseitig beeinflussender Komponenten durchführen: die materielle Szenerie des Lebens und die Verhaltensweisen, die sie hervorbringt und durch die sie umgestaltet wird. (Guy Debord: Rapport zur Konstruktion von Situationen, Paris 1957)
b) eine organisatorische:
Die S.I. hatte ihr Zentrum in Paris. Sie war in internationale Sektionen aufgegliedert. Neben der französischen gab es
- die holländische Sektion unter anderem mit Constant, Armado, später Jacqueline de Jong
- die deutsche Sektion unter anderem mit Hans Platschek, der Gruppe SPUR, Uwe Lausen
- die belgische Sektion mit Maurice Wyckaert, Raoul Vaneigem und anderen
- die skandinavische Sektion mit Jörgen Nash, Hardy Strid, J.V. Martin und anderen.
Zeitweise existierte auch eine britische, algerische und US-amerikanische Sektion.
Rückblickend teilte Guy Debord 1968 die Tätigkeit der S.I. in zwei Perioden ein:
- 1957 — 1962 mit der „Aufhebung der Kunst“ als Hauptthema, was in der S.I.- Praxis einen fast völligen Ausschluß der Künstler und Künstlerinnen durch den Zentralrat bedeutete.
- ab 1962 als die Periode der „Verwirklichung der Politik“.
Beginn und Ende
Am Beginn der Situationistischen Internationale stand das Zusammenkommen zweier Avantgarde-Gruppen der ersten Nachkriegsjahre:
- Asger Jorn, Giuseppe Pinot-Gallizio sowie Piero Simondo, Walter Olmo und Elena Verrone von der Bewegung für das Bauhaus Imaginista.
Diese 1953 nach dem Niedergang von Cobra (1948-1953) von Asger Jorn initiierte „Bewegung“ sah sich in einer Gegenposition zum neuen Ulmer Bauhaus Max Bills. Es war „ein Instrument zur Erforschung und Förderung der internationalen Gärung und ästhetischen Experimente. Es gärt auch in sich selbst: es ist imaginistisch und versammelt daher verschiedene Individuen zu künstlerischer, wissenschaftlicher und kulturrevolutionärer Tätigkeit.“ [2]
- Guy Debord und Michéle Bernstein von der Lettristischen Internationalen.
Die Lettristen hatte der Rumäne Isidore Goldstein als Isidore Isou gegen Ende des II. Weltkrieges erfunden und mit jugendlichem, dadaistischem Ungestüm sowie mit linkspolitischem Engagement in den vierziger Jahren in Paris bekannt gemacht. „Sie nannten sich Lettristen und im Paris der Nachkriegszeit war ihr Zusammenhang zweifellos der aktivste. Natürlich kannten sie — zum überwiegenden Teil, wie Debord, nicht mal 20 Jahre alt oder sogar noch jünger — die Koordination der Moderne in ihrer Stadt genau, denn sie hatten nichts geringeres vor, als den etablierten Vertretern der künstlerischen Bohéme — Surrealisten oder Existentialisten beispielsweise — die Macht zu entreissen.“ [3]
Der Lettrismus war vor allem eine radikale, neodadaistische Poesie, die die Sprache als Klang und die Schrift als Material betrachtete. Die Lettristen arbeiteten im Bereich von Malerei und Grafik sowie vor allem auch im Bereich Avantgardefilm.
Die Gründungskonferenz der S.I., zu der als ein Einzelgänger auch Ralph Rumney von dem Psychographischen Komitee in London gekommen war, fand im Juli 1957 im norditalienischen Cosio d’Arroscia statt. Bald nach der Gründung kamen der deutsche Maler und Kunstpublizist Hans Platschek („Neue Figuration“, München 1959) sowie die Münchener Gruppe SPUR (Lothar Fischer, Heimrad Prenz, Helmut Sturm, Hans-Peter Zimmer sowie dann der spätere Berliner Kommunarde Dieter Kunzelmann) hinzu.
1972 — reduziert durch eine rigorose, geradezu „stalinistische“ Ausschlußpraxis sowie durch zahlreiche freiwillige Austritte — lösten Guy Debord und seine beiden letzten Getreuen (Gianfranco Sanguinetti und J. V. Martin) die S.I. auf.
Insgesamt hatten zwischen 1957 und 1972 der S.I. 79 SituationistInnen angehört, davon waren 45 (!) ausgeschlossen worden. Die kürzeste Mitgliedschaft war die der italienischen MitbegründerInnen Elena Verrone und Walter Olmo, die bereits im Jänner 1958 ausgeschlossen wurden. Nur Guy Debord, eine Art Politkomissar der S.I., gehörte dieser Gruppe von der Gründung bis zur Selbstauflösung an.
Die Periode der Aufhebung der Kunst
Roberto Ohrt beschreibt diese bis 1962 andauernde Periode wie folgt:
Bis 1962 waren etwa 40 Künstler aus ganz Europa durch die S.I. gegangen, und viel mehr als insgesamt 70 Mitglieder hat die S.I. bis zu ihrer Auflösung 1972 nie gesehen. 7 Nummern der insgesamt 12 in Chromolux Metallic eingeschlagenen Revue internationale situationniste waren erschienen, alle 7 Nummern der Zeitschrift SPUR, die zusammen mit den Manifesten und Flugblättern im SPUR-Buch gebunden herauskamen, und 5 von insgesamt 8 Konferenzen waren in
verschiedenen Städten Europas durchgeführt worden.In diesen fünf Jahren war die S.I. wirklich international aktiv und dennoch entstand schon damals die Legende vom Hauptquartier in Paris, dem Wohnsitz von Guy Debord. [4]
Die in der ersten Periode der S.I. von Guy Debord und seiner „linken Fraktion“ betriebene „Aufhebung der Kunst“ (= Ausschluß der KünstlerInnen) soll am Konflikt um die Münchner Gruppe SPUR kurz dargestellt werden. Zunächst war die S.I., vor allem nach der von Asger Jorn betriebenen Aufnahme von Prem, Zimmer & Co anläßlich der Münchener S.I.-Konferenz im April 1958 („Ein kultureller Putsch während ihr schlaft“, Flugblatt der S.I.), durchaus auch eine Bewegung der Künstler und Künstlerinnen (neben der Gruppe SPUR zum Beispiel Hans Platschek, der erste Exponent der deutschen Sektion, bereits im Februar 1959 wieder ausgeschlossen, oder die Holländerin Jacqueline de Jong, nach ihrem Ausschluß 1962 Herausgeberin der Situationist Times). Und zunächst war diese „rechte Fraktion“ der KünstlerInnen durchaus bereit, mit ihren kulturrevolutionären Intentionen den Revolutionsstrategien der S.I. zu folgen:
Der Gedanke, den die Künstler der Gruppe SPUR in die Situationistische Internationale einbringen wollten und den sie eigentlich auch hätten einbringen können, ist das Bild als ein Modell für Verwandlungen, Veränderungen, die sich aus dem lebendigen Prozeß des Malens ergeben. Sie sind den Abläufen einer Derivé vergleichbar, in denen der Umherschweifende auf die Gegebenheiten des Lebens reagiert, Stoffe einbezieht, verarbeitet und mit seinen Initiativen konfrontiert. [5]
Doch diese Position war für Guy Debord und seine Fraktion unannehmbar. Attila Kotányí, Exil-Ungar und nach Constant „Direktor des Büros für den unitären Urbanismus“ erklärte: „Seit dem Anfang unserer Bewegung hat sich das Problem des Etiketts der Kunstwerke der S.I.-Mitglieder gestellt. Wir wußten wohl, daß keines ein situationistisches Produkt war, aber wie sollte man sie benennen? Ich schlage Euch eine sehr einfache Regelung vor, und zwar sie anti-situationistisch zu nennen.“ [6] Und ein Beschluß des Zentralrates der S.I. von 1960 besagt: „Es ist bewiesen, dass die fraktionistische Aktivität dieser Gruppe auf einem systematischen Missverständnis der situationistischen Thesen basierte; und dass die Mitglieder dieser Gruppe vollkommen die Disziplin der S.I. missachtet haben, um als Künstler zu arrivieren.“ (Situationistische Internationale, Katalog Museum moderner Kunst, 1998, S. 60)
Mit dem Ausschluß des überwiegenden Teils der Künstler und Künstlerinnen ist die Phase „der Aufhebung der Kunst“ abgeschlossen.
Die folgende Phase wird von Libero Andreotti wie folgt beschrieben: „Die zweite Phase der Aktivitäten der S.I., von 1962 bis 1972, war vom Erscheinen von Debords Die Gesellschaft des Spektakels (1967, deutsche Übersetzung 1978) und Raoul Vaneigems The Revolution of Everyday Life (1967) gekennzeichnet, die zu Kultklassikern der Underground-Jugendbewegung in ganz Europa wurden. Ebenso war diese Phase durch mehrere, weithin sichtbare und gut geplante öffentliche Aktionen charakterisiert. 1967 übernahmen einige Anhänger der S.I. die Hochschülerschaft an der Universität Straßburg und verwendeten deren Geldmittel dazu, illegal mehrere tausend Kopien eines Situationistischen Traktats mit dem Titel Über das Elend im Studentenmilieu zu drucken. Die daraus resultierenden Kontroversen und der Gerichtsprozeß verhalfen der S.I. zu einem unerwarteten ‚succés de scandale’. Wenige Monate später schlossen sich die Situationisten mit den ‚enragés’ von Nanterre außerhalb von Paris zusammen und waren gemeinsam mit anderen im Besetzungskommittee der Sorbonne daran beteiligt, die Ereignisse vom Mai 1968 herbeizuführen. Von diesem Augenblick an bis zu ihrer endgültigen Auflösung im Jahre 1972 wurde die S.I. zu einer Art Kommandozentrale, die Communiqués und einen ständigen Strom von subversivem Agit-Prop-Material herausgab, das zum Großteil von der Undergroundpresse in einem Dutzend Länder nachgedruckt wurde. Die Auflösung der Gruppe brachte das Ende einer Epoche, die, wie Peter Wollen bemerkt,“mit dem Futuristischen Manifest von 1909 in Paris begonnen hatte — der Epoche der historischen Avantgarde-Bewegungen mit ihrem typischen Apparat internationaler Agitation und Propaganda, mit Manifesten, Kongressen, Streitigkeiten (und) Skandalen." [7]
Methoden und Strategien der S.I.
Um ihr Ziel der „Konstruktion von Situationen — d. h. der konkreten Konstruktion kurzfristiger Lebensumgebungen und ihrer Umgestaltung in eine höhere Qualität der Leidenschaften“ (Debord: Rapport) zu erreichen, entwickelten die Situationisten verschiedene Methoden und Strategien.
Aus der Tradition der Pariser Subkultur und der Bohéme kam die Methode des „dérive“ („Umherschweifen“ — siehe Definitionen). Dies war ein räumliches und konzeptionelles Erforschen der Stadt — oft der Vorstädte -, indem man/frau sie, manchmal auch im Morgengrauen nach durchzechter Nacht, durchstreift. Durch das „dérive“ entwickelten die Situationisten — wie L. Andreotti im Wiener Katalog betont — „ein kritisches Bewußtsein des spielerischen Potentials urbaner Räume und ihrer Möglichkeiten, neue Wünsche zu erwecken“ (S. 17). Für Guy Debord war „dérive“ auch die Entwicklung einer neuen, „anderen“ und erweiterten Wissenschaft, der „Psychogeographie“ (siehe Definitionen).
Zusammengefaßt wurde die kritische, systemsprengende Auseinandersetzung mit der Stadt als Lebensraum der Menschen (der „Massen“) in dem „unitären Urbanismus“. Als konkrete Gegenmodelle zu dem immer menschenfeindlicher werdenen Charakter der modernen Großstädte entwickelte der Situationist Constant Ende der 50er Jahre seine „New Babylon“-Konzepte. Constant erklärte: „Die Architektur ist das einfachste Mittel, Zeit und Raum ineinanderzufügen, die Wirklichkeit zu modellieren, träumen zu lassen [...] Es wird Räume geben, die einen besser träumen lassen als Drogen [...]“. [8] Constant wurde auch Leiter des „Büros für den unitären Urbanismus“ der S.I. in Amsterdam.
In der von Constant gemeinsam mit Debord im November 1958 verfaßten Amsterdamer Erklärung (S.I. Nr. 2, Dezember 1958) wurde der „unitäre Urbanismus“ als letzlich kollektive Aktivität zur Schaffung eines dem gesamten Leben der Menschen gerecht werdenden Städtebaus zum zentralen situationistischen Mittel erhoben: „Eine konstruierte Situation ist ein Mittel, sich dem unitären Urbanismus zu nähern und dieser bildet die unerlässliche Grundlage für die Entwicklung der Konstruktion von Situationen als Ausdruck von Spiel und Ernst einer freien Gesellschaft.“
In seinem Eröffnungsbericht zur Münchner S.I.-Konferenz bekräftigte der „New Babylon“-Kreator Constant im Hinblick auf das jetzt angesagte situationistische Forcieren des „unitären Urbanismus“ seine kunstskeptische Hoffnung: „Schließlich wird die Architektur wie die anderen jetzigen Künste zum Vorteil der einheitlichen Tätigkeit verschwinden.“
Ausgelöst wurde die Debatte über den Stellenwert des individuellen Kunstschaffens innerhalb der revolutionären Veränderungsstrategien der Situationisten durch Constant. Der einstige Cobra-Maler, der Mitte der 50er Jahre die Malerei aufgegeben hatte, erteilte der herkömmlichen individuellen Kunst eine deutliche Absage. Gegen seinen einstigen Gefährten Jorn gewandt stellte er fest: „Jede Kunst, die sich an deine übermalte handwerkliche Freiheit anklammert, ist von vornherein verloren (irgendwo hat Jorn diese reaktionäre Seite im Bauhaus betont). In der Zukunft ist eine freie Kunst diejenige, die all die neuen Konditionierungstechniken beherrschen und ausnützen würde. Außerhalb dieser Perspektive gibt es nur die Sklaverei der künstlich wiedererlebten Vergangenheit und des Kommerz.“
Anstelle der individualistischen Kunst setzten sie vor allem die Methode des „détournement“ (Zweckentfremdung oder Umfunktionierung gestalteter Materialien — siehe Definitionen). Diese kreative Umgestaltung finden wir in Debords Avantgardefilmen, in zahlreichen Illustrationen der S.I.-Zeitschrift oder in den von Jorn und Debord gestalteten Kunst-Publikationen Mémoires und Fin de Copenhague. Auch Asger Jorns „Modifikationen“, die Umgestaltung oder Übermalung vorgefundener Gemälde, sind Beispiele für die Methode.
Sind die Situationisten gescheitert?
Trotz der Vielzahl und Kreativität der Methoden und Strategien, trotz ihrer Radikalität, ihrer Konsequenz und unnachgiebigen Organisationsstruktur — vielleicht aber auch gerade deswegen — waren der Situationistischen Internationale nur ein sehr begrenzter Erfolg (im Pariser Mai ’68 oder vorher in Straßburg) beschieden. Es wäre aber falsch von einem Scheitern der S.I. zu sprechen.
- Ihre Zeitschrift ist eines der wichtigsten intellektuellen und radikalpolitischen Dokumente der späten 50er und der 60 Jahre.
- Ihre Auseinandersetzung und ihr Diskurs über Grenzen und Ende der Kunst — und nicht zuletzt auch über eine notwendige Erweiterung des Kunstbegriffs — sind auch für die aktuelle Diskussion (zum Beispiel Kunst als soziale Intervention) von großer Bedeutung.
- Das gleiche gilt für den Internationalismus der S.I. und für ihren entscheidenden Ansatz der Konstruktion von Situationen.
- Vor allem bleibt ihr zentraler Kopf und Praktiker Guy Debord — trotz mancher Schwächen wie zum Beispiel seine Rigidität — einer der großen linksradikalen, revolutionären Denker unserer Zeit.
Und letztlich gilt für mich, was Guy Debord im Panegyric schreibt: „Alle Revolutionen gehen in die Geschichte ein und die Geschichte weist keine von ihnen ab: und die Ströme der Revolutionen fließen dorthin zurück, von wo sie gekommen sind, um wieder aufs neue zu fließen.“ [9]
[1] In Deutsch erschienen unter anderem: Situationistische Internationale. Gesammelte Ausgabe des Organs der S. I., Band 1 (S. I. 1-7), Hamburg 1976, Band 2 (S. I. 8-12), Hamburg 1977. Roberto Ohrt (Hg.): Beginn einer Epoche. Texte der Situationisten, Hamburg 1995. Guy Debord: Gesellschaft des Spektakels, Hamburg 1978 (Original Paris 1967). Guy Debord: Gegen den Film. Hamburg 1978. Zur Ausstellung im Wiener Museum des 20. Jahrhunderts (Jänner — März 1998) ist ein von mir herausgegebener Katalog erschienen: Situationistische Internationale 1957 — 1972. Wien 1998. Er enthält unter anderem Beiträge von Libero Andreotti, dem Gestalter einer S. I. Ausstellung im MACBA, Barcelona 1996, Troels Andersen, dem Asger Jorn-Biographen, dem deutschsprachigen S. I.-Publizisten Roberto Ohrt sowie eine Bibliographie.
[2] Martin Reuter: Die ästhetische und die politische Aktion. in: Texte zur Kunst 1957-1982, hrsg. v. Galerie van der Loo, München 1982, S. 248
[3] Roberto Ohrt: Der Herr des revolutionären Subjekts. in: Situationistische Internationale 1957 — 1972, S. 28
[4] Roberto Ohrt: Die vergessene Geschichte. Gruppe SPUR. zitiert nach: Situationistische Internationale 1957 — 1972, S. 66
[5] Ottmar Bergmanns: Zur Gruppe SPUR. in: Nilpferd des Höllischen Urwalds, Katalog des Werkbund Archivs, Berlin 1991, S. 119
[6] Deutsche Ausgabe der Zeitschrift Situationistische Internationale, Band 1, S. 280
[7] Libero Andreotti: Die urbane Politik der Situationistischen Internationale. in: Situationistische Internationale 1957 — 1972, S. 15
[8] zitiert nach Reuter: Texte zur Kunst, S. 252
[9] Guy Debord: Panegyric, London — New York 1991, S. 25
Situationistische Begriffe
- Konstruierte Situation: Durch die kollektive Organisation einer einheitlichen Umgebung und des Spiels von Ereignissen konkret und mit voller Absicht konstruiertes Moment des Lebens.
- Situationistisch / Situationist: Alles, was sich auf die Theorie oder auf die praktische Tätigkeit einer Konstruktion von Situationen bezieht. Derjenige, der sich damit beschäftigt, Situationen zu konstruieren. Mitglied der Situationistischen Internationale.
- Situationismus: Sinnloses Wort, mißbräuchlich durch Ableitung des vorigen gebildet. Es gibt keinen Situationismus, was eine Doktrin zur Interpretation der vorhandenen Tatsachen bedeuten würde. Der Begriff Situationismus wurde eindeutig von Anti-Situationisten aufgebracht.
- Psychogeographie: Erforschung der genauen unmittelbaren Wirkungen, seien sie bewußt gestaltet oder nicht, des geographischen Milieus auf das emotionale Verhalten der Individuen.
- Umherschweifen (Dérive): Mit den Bedingungen der städtischen Gesellschaft verbundene experimentelle Verhaltensweise: Technik des eiligen Durchquerens abwechslungsreicher Umgebungen. Im besonderen Sinne auch: die Dauer einer ununterbrochenen Ausübung dieses Experiments.
- Unitärer Urbanismus: Theorie der gesamten Anwendung der künstlerischen und technischen Mittel, die zur vollständigen Konstruktion eines Milieus in dynamischer Verbindung mit Verhaltensexperimenten zusammenwirken.
- Zweckentfremdung (Détournement): Kurzfassung der Formel: Zweckentfremdung von ästhetischen Fertigteilen. Integration aktueller oder vergangener Kunstproduktionen in eine höhere Konstruktion des Milieus. In diesem Sinne kann es weder eine situationistische Malerei noch eine situationistische Musik, wohl aber eine situationistische Anwendung dieser Mittel geben. In einem ursprünglicheren Sinne ist die Zweckentfremdung innerhalb der alten kulturellen Gebiete eine Propagandamethode, die die Abnutzung und den Bedeutungsverlust dieser Gebiete aufzeigt.