Am 21. April 2007 unterzeichneten die Vertreter der Österreichische Mineralölverwaltung OMV und des iranischen Regimes drei Absichtserklärungen über das größte Erdgas-Geschäft, dass je ein europäisches Unternehmen mit dem Iran abschlossen hat: Der Energiekonzern will sich erstens mit einem Anteil von 20 Prozent an der Erschließung eines Erdgasfeldes beteiligen. Er will zweitens mit 10 Prozent in eine iranische Großanlage für die Produktion von Flüssiggas einsteigen und dieses Produkt en masse (2,2 Mio. to/a) nach Europa verschiffen. Er will drittens dem Mullah-Regime die Teilnahme an dem Pipeline-Projekt Nabucco ermöglichen und hierüber riesige Erdgasmengen (5 Mrd. m³/a) nach Österreich pumpen. Das Geschäftsvolumen liegt bei 30 Mrd. Dollar oder 22 Mrd. Euro.
Es ist verständlich, dass die Regierung Ahmadinejad diese Absichtserklärungen feiert, publizistisch ausschlachtet und die Österreicher über alle Maßen lobt. Es ist gespenstisch, dass alle im Wiener Parlament vertretenen Parteien das Irangeschäft geradezu reflexhaft unterstützen und gegen Kritik von außen in Schutz nehmen. Und es ist zynisch, wenn die österreichische Außenministerin behauptet, es handele sich „lediglich um einen Geschäftsvorgang“, der, da es sich um Erdgas handelt, mit dem iranischen Atomprogamm nichts zu tun habe.
Die Wiener politische Konsens ist das eigentliche Problem: Eine Große Koalition in Österreich ist offenkundig entschlossen, das iranische Regime für die demonstrative Missachtung der Sicherheitsratsbeschlüsse zu belohnen.
Viele Energiekonzerne würden die iranischen Erdgasfelder lieber heute als morgen ausbeuten. Dennoch haben Sie ihr Profitinteresse der internationalen politischen Räson untergeordnet. Diese Räson besagt, dass das Mullahregime nicht hofiert werden darf, sondern isoliert werden muss, solange es sein illegales, bombenrelevantes Atomprogramm nicht stoppt.
Im Dezember 2006 verhängte der UN-Sicherheitsrat Sanktionen gegen den Iran. Dies war nur der erste Schritt. Falls das Regime nicht einlenke, heißt es in Resolution 1737, sollten „weitere geeignete Maßnahmen nach Artikel 41, Chapter VII der UN-Charta angewendet werden“. Artikel 41 sieht die „vollständige oder teilweise Unterbrechung der Wirtschaftsbeziehungen“ vor.
Schon heute wird der wirtschaftliche Druck auch außerhalb des UN-Sicherheitsrats wirkungsvoll verschärft: Mehr als 40 große internationale Banken und Finanzinstitute haben ihre Geschäftsbeziehungen zum Iran entweder abgebrochen oder zurückgefahren. [1]
Firmen wie die BP oder die Allianz sind aus dem Irangeschäft ausgestiegen. Energieriesen wie Shell, Total, Repsol oder E.ON halten sich mit Neuverträgen zurück. Seit Ahmadinejads Amtsantritt im Sommer 2005 hat keine einzige ausländische Firma einen Eröl- oder Erdgasvertrag mit dem Iran abgeschlossen. [2]
Jetzt scheren die OMV und der Staat Österreich, der 30 Prozent der OMV-Anteile hält, aus diesem internationalen Konsens aus. Anstatt den Gegenwind, dem sich das Regime ausgesetzt sieht, zu verstärken, springt Wien in die Bresche. Anstatt ihre Zustimmung zu den OMV-Projekten von einer Änderung der iranischen Atompolitik abhängig zu machen, will sich Österreichs Große Koalition als erste westliche Regierung mit der iranischen Bombe abfinden.
Was nach Auskunft von Frau Plassnik ein „Geschäftsvorgang“ sein soll, ist außenpolitisches Signal. Andere europäische Energiekonzerne stehen bereits in den Startlöchern. Sie werden dabei von Politikern und Politikberatern unterstützt, die für ein strategisches, gegen die USA gerichtetes Bündnis zwischen Europa und dem Islamismus eintreten. So machte einer der wichtigsten Berater des deutschen Außenministers, Volker Perthes, schon im Januar 2006 den Vorschlag, über die Nabucco-Pipeline ein strategisches Bündnis zwischen den Mullahs und der EU zu schmieden.
Dieser Standpunkt wird von Vertretern der EU-Kommission geteilt. So hat Energiekommissar Andris Piebalgs die iranischen OMV-Projekte ausdrücklich unterstützt. Eine undurchsichtige Rolle spielt in diesem Zusammenhang die European Investment Bank. Im Februar 2006, als die Tiraden des iranischen Präsidenten ihren Höhepunkt erreichten, fällte die Europäische Investitionsbank heimlich den Beschluss, sich mit 1 Mrd. US-Dollar sich am Bau dieser Pipeline beteiligen. Das Europa-Parlament wurde in dieser Frage nicht konsultiert. Ein öffentliche Diskussion über Nabucco fand nirgendwo statt. Nun ist die Europäische Investitionsbank jedoch ein Organ der EU. Ihre Kapitaleigner sind die Mitgliedsstaaten der EU. Sie ist als Finanzierungsinstrument der EU deren politischen Zielen laut EG-Vertrag verpflichtet. Gehört die ökonomische Polsterung eines Regimes, das junge Mädchen und Männer aufgrund ihrer sexuellen Beziehungen öffentlich hinzurichten pflegt, zu den politischen Zielen der EG?
Dieser Hintergrund macht deutlich, dass Absichtserklärungen der OMV einen Dominoeffekt auslösen können. Bis heute ist beispielsweise ein Erdgas-Deal, den die deutsche E.ON mit dem Iran vereinbarte, blockiert, weil die Bundesregierung keine Zustimmung erteilte. Wird es nach dem Vorpreschen Österreichs noch dabei bleiben? Und würde dann die iranische Bombe noch zu stoppen sein?
Österreich, Deutschland und die EU tun so, als sei es zweitrangig, ob Iran Atomwaffen hat oder nicht. Österreichs gegenwärtige Iranpolitik basiert auf der Illusion, die Situation in Europe würde auch mit einem nuklear bewaffneten Iran noch dieselbe sein. Fataler aber kann ein Fehlschluss nicht sein: Wenn Europa akzeptiert, dass die Mullah-Diktatur Atomwaffen erhält, wird nicht nur für Israel, sondern auch für Europa ein Alptraum Wirklichkeit.
So würde sich, wenn der Iran Atomwaffen entwickelt, der gesamte Nahe und Mittlere Osten nuklearisieren – sei es, weil das iranische Regime die Atomtechnik – wie bereits versprochen – an islamistischen Freunde freigiebig weitergibt, sei es weil arabische Regimes mit eigenen Atomwaffen nachziehen. Die spezifische Gefahr der iranischen Bombe aber erwächst aus dem einzigartigen ideologischen Gebräu, in dessen Kontext sie entsteht: jene Mischung aus Todessehnsucht und Waffenuran, aus Holocaust-Leugnung und High-Tec, aus Welteroberungsphantasie und Raketenforschung, aus schiitischem Messianismus und Plutonium. Es gibt auch andere Diktaturen in dieser Welt. Doch im Iran geht das Phantasma des Antisemitismus und der religiösen Auserwähltheit mit einem technologischen Größenwahn und einer Physik der Massenvernichtung einher. Wir haben es erstmals wieder mit einer Gefahr zu tun, wie sie vor 70 Jahren schon einmal am Horizont erschien: Der Gefahr einer Art von „Adolf Hitler“ mit Atomwaffen.
Glaubt hier tatsächlich jemand, dadurch würde Europa kaum berührt? „Wir müssen die Rhetorik des iranischen Präsidenten ... ernst nehmen“, hat die deutsche Bundeskanzlerin unlängst gefordert. Zu recht! Ahmadinejad malt sich genüsslich das Ende aller liberalen Demokratien aus: „Die Einsichtigen nehmen bereits wahr, wie die liberale Demokratie in sich zusammenfällt“, schrieb er in seinem Brief an US-Präsident Bush, und gibt damit wieder, was die gesamte theokratische Elite denkt. Er sieht sich und sein Land inmitten eines „historischen Krieges, der seit Hunderten von Jahren andauert“ und erklärt: „Wir müssen uns die Niedrigkeit unseres Feindes bewusst machen, damit sich unserer heiliger Hass wie eine Welle immer weiter ausbreitet.“ Um diesen Krieg zu gewinnen, wird die nuklear bestückbare Mittelstreckenrakete Shahab 5 gebaut, die fast jeden Punkt Europas erreichen kann. Um diesen Krieg zu gewinnen, werden Tausende und Abertausende Selbstmordattentäter rekrutiert und Zellen der Hisbollah an den verschiedensten Orten Europas installiert – Zellen, deren Mitglieder dem iranischen Geheimdienst unterstellt sind.Die Situation Europas wird mit einem nuklear ausgerüsteten Iran nicht mehr dieselbe wie heute sein. Ob sich der Iran dann tatsächlich zu einer Atomwaffenmacht erklärt, ist zweitrangig. So wie der Mordaufruf gegen den britischen Schriftsteller Salman Rushdie ausreichte, um Tausende in Schrecken zu versetzen, so wird schon die nukleare Option ausreichen, um jedweden Frieden im Nahen Osten zu torpedieren und Europa im Schach zu halten.
Emsig steuert Teheran auf die Bombe zu: Die Zeit rennt uns davon. Hier und heute wird die sicherheitspolitische Weiche für das 21. Jahrhundert gestellt. Noch kann die iranische Bombe verhindert werden. Europa hat den Schlüssel dazu in der Hand. Iran ist auf Europa angewiesen. Das Land bezieht 40 Prozent all seiner Einfuhren aus der EU, die 25 Prozent seiner Ausfuhren erhält. Teheran ist besonders bei der Erschließung seiner Erdgasfelder Konzerne wie die OMV angewiesen. Ein Investitionsstopp in diesem Sektor wirkt sich auf die gesamte iranische Wirtschaft negativ aus. [3] Er konfrontiert die Regime mit den Folgen seiner Nuklearpolitik.
Demgegenüber ist Europa auf das Mullah-Regime noch nicht angewiesen. Im Jahre 2005 kam nicht einmal 1 Prozent aller europäischen Einfuhren aus dem Iran. Der Anteil des Iran an allen europäischen Exporten lag bei 1,2 Prozent. Auf diese Exporte können europäische Firmen verzichten. Das gilt besonders für die OMV, die ihren Umsatz im letzten Jahr um 22 Prozent steigerte und ihren Reingewinn um 11 Prozent auf 1,6 Milliarden Euro erhöhte. [4] Die Absichtserklärung der OMV, ihr Kotau vor dem iranischen Regime, ist keiner Notwendigkeit, sondern einer freien Entscheidung entsprungen.
Als stiller Teilhaber des Terrors hat die OMV ein Imageproblem. So triumphal das Mullah-Regime auf die Unterzeichnung der Abkommen reagierte, so einsilbig blieb deren Geschäftspartner in Wien. Die Firma scheint zu ahnen, dass der Irandeal mit dem Leitwort des firmeneigenen Corporate Mission Statement (CMS): „Wir unterstützen und achten den Schutz der international verkündeten Menschenrechte“ nicht in Deckung gebracht werden kann. Flugs ließ sie ihre Homepage um das Zusatzkapitel „Wie passt CMS mit dem Iran Engagement zusammen?“ ergänzen. Hier werden all die ausgedroschenen Phrasen gemäß der neuesten Geschäftslage korrigiert: „ Corporate Social Responsibility hat unserem Verständnis nach mit der Politik in einzelnen Ländern oder auf der großen Weltbühne nichts zu tun.“ Ob diese Klarstellung verhindern kann, dass immer mehr Menschen das „MV“ im Firmennamen mit „Massenvernichtung“ assoziieren?
Nach wie vor haben die OMV, Österreich und Europa eine Wahl. Wird die OMV ihre Absichtserklärung realisieren oder werden Österreich und Europa Kante zeigen? Wird Wien hinnehmen, dass die Mullah-Diktatur ihren heiligen Krieg vor den Toren Europas mit Atomwaffen eskaliert? Oder ist auch Österreich gewillt, den ökonomischen Preis für den Iran derart hoch zu schrauben, dass dieses Regime – vor dem Hintergrund einer zunehmend unzufriedenen Bevölkerung – seinen Kurs nicht beibehalten kann?
Wenn in den Nachfolgestaaten des Dritten Reichs der Respekt vor den Überlebenden des Holocaust noch etwas zählt, sollte in Deutschland wie in Österreich alle Firmen und Finanzinstitute an den Pranger gestellt werden, die ihre Geschäfte mit dem Regime machen, dass als einziges Land der Welt die Holocaust-Leugnung zu einem Bestandteil seiner Außenpolitik macht und ein Mitgliedsland der Vereinten Nationen auslöschen will.
Wenn die Zivilgesellschaften in Österreich und Deutschland ihrem Anspruch, die Lehren der Geschichte begriffen haben, gerecht werden wollen, sollten sie ihre Regierungen unter Druck gesetzt werden, bis sie tun, was getan werden muss, um die iranischen Bombe zu verhindern.
Wenn Europas den Iran nicht unverzüglich und massiv unter Druck setzt und vor die Alternative stellt, entweder seinen Kurs zu ändern oder aber verheerende ökonomische Schäden zu erleiden, bleibt nur die Wahl zwischen einer schlechten Lösung – die militärische Option – oder einer schrecklichen, der iranischen Bombe.
Wer das iranische Atomprogramm mit nicht-militärischen Mitteln aufhalten will, muss dafür sorgen, das aus den Projekten des 21. April nichts wird.
[1] Robin Wright, Iran Feels Pinch As Major Banks Curtail Business, in: Washington Post, March 26, 2007.
[2] Jad Mouawad, An excess of problems for Iranian energy, in: International Herald Tribune, February 12, 2007.
[3] Wie resistent ist Irans Wirtschaft gegen Sanktionen?, in: Neue Züricher Zeitung, 1. März 2007.
[4] OMV schaut sich in Osteuropa um, in: Frankfurter Allgemeine Zeitung, 7. 3. 2007 sowie: OMV Reports 2006 Results auf www.oilvoice.com